Aufräumarbeiten

Hallo Freunde,

immer, wenn ich ein neues Projekt angehe, eine neue Idee mich bittet, verwirklicht zu werden, muss ich zuerst mein Studio, meinen Schreibtisch aufräumen, Platz machen. Dann füllt sich mein Papierkorb mit alten Entwürfen, Kartonresten, Schnipseln, und ausgetrockneten Farbtuben, kurz mit dem Gestrigen. Es ist wunderbar, wenn ich dann die Bleistifte spitze, die Pinsel reinige, frisches Wasser ins Glas fülle für die ersten Aquarellskizzen, dann die erste wackelige Linie ziehe, die je länger meine Hand sie fortführt, immer ruhiger, immer zielorientierter wird.

Es ist wie beim Schreiben. Die Grundidee ist da, aber die Suche nach der Form braucht noch Zeit, bildet sich heraus, je länger ich davor sitze und das leere Blatt sich füllt. Beim Studioaufräumen taucht immer wieder Überraschendes, Übersehenes und Staunenswertes auf. So auch letzte Woche. Ich fand einen alten zerknitterten Zettel, auf dem ich zwei Grabinschriften notiert hatte. Ich liebe alte Friedhöfe, wo auf verwittertem, moosigem Gestein eines Verstorbenen gedacht wird. Manches ist gewollt oder ungewollt urkomisch, aber zumindest erinnerungswürdig.

Die wunderlichsten Titel findet man auf österreichischen Friedhöfen. Jeder Österreicher braucht einen Titel. Ohne Titel ist er kein Mensch. Und wenn er keinen amtlichen hat, dann erschafft er einen. Die Hausbesitzersgattin ist mein Zeuge.

Die Iren, die nicht nur für ihre Musik, ihren guten Whisky und ihr schlechtes Wetter bekannt sind, haben auch einen köstlichen angelsächsischen Humor. Deshalb glaube ich, müssen die zwei aufgetauchten Grabinschriften aus meinen irischen Jahren stammen, wo ich im Dubliner Fischereihafen Howth wohnte, und wo es neben dem Golfplatz einen verwunschenen Friedhof gab mit Blick auf die irische See.

„On the 22nd of June
Jonathan Fiddle went out of tune.“

„Here lies Antony Smith, Age 102.
Only the good die young.“

Das ist jetzt schon über 30 Jahre her, deshalb mein jugendliches Aussehen.

Seid, wie immer, herzlich gegrüßt
Euer Helme

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